Abmahnungen beim Internet-Versandhaus Amazon

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Genau wie bei eBay haben Händler und Shopbetreiber auch auf der Plattform von Amazon die Möglichkeit, eigene Ware zu verkaufen. Und genau wie bei eBay werden auch Amazon-Händler wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Rechtsverstöße massenhaft abgemahnt.

Auf der Online-Plattform von Amazon kann man neben Büchern, eBooks, CDs, DVDs, Videos noch viele weitere Konsumartikel erwerben. Nach eigenen Angaben ist Amazon hinsichtlich der Auswahl in manchen Bereichen Weltmarktführer. Dabei zählt Amazon zu den so genannten Social-Commerce-Versandhäusern. Darunter versteht man eine durch Kunden mitgestaltete Angebotspalette. Konkret gehören dazu beispielsweise Kommentar- und Bewertungsfunktionen für die angebotenen Waren. Nicht nur Verlage oder große Unternehmen, sondern auch einzelne Händler haben bei Amazon die Möglichkeit, neue und gebrauchte Produkte anzubieten. Tritt man als Amazon-Händler auf, ist man beim Einstellen von Verkaufsangeboten verpflichtet, die Vorschriften des Fernabsatzgesetzes zu beachten. Insbesondere aufgrund fehlender und fehlerhafter Belehrungen über das Widerrufsrecht kommt es jedoch immer wieder zu Abmahnungen von Amazon-Händlern. Vergleichbar mit den Abmahnungen für Händler auf der Verkaufsplattform des Online-Auktionshauses eBay können diese Abmahnungen ein erhebliches finanzielles und rechtliches Risiko für den Abgemahnten darstellen.

Grundsätzlich müssen Verbraucherinnen und Verbraucher bei Online-Verkaufsangeboten bereits vor Vertragsschluss in angemessener Weise über ihr Widerrufsrecht aufgeklärt werden. Amazon-Händler stehen dabei jedoch bereits vor einem technischen Problem. Grundsätzlich haben diese die Möglichkeit neben den Produktinformationen mit Hilfe des Links "Widerrufsbelehrung und weitere Verkäuferinformationen" auf die Regelungen des Fernabsatzrechts hinzuweisen. Allerdings ist der Platz in den Feldern für die gesetzlich notwendigen Informationen nicht ausreichend. So kann die aktuell vom Gesetzgeber eingeführte Muster-Widerrufsbelehrung (aus der "Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung" nicht vollständig in das Formular eingebaut werden. Unabhängig von dem monströsen und verbraucherfeindlichen Umfang der Muster-Widerrufsbelehrung stellt dies ein großes Problem für Amazon-Händler dar. Zudem wird von vielen Händlern die Bereitstellung von Informationen über Widerrufsfrist und Widerrufsrechte oftmals sogar ganz vergessen. Hierdurch werden Tür und Tor für Massenabmahnungen geöffnet. Gerade in jüngster Zeit mussten sich viele Amazon-Händler deswegen mit Abmahnungen auseinander setzen. Abgemahnt wurde dabei insbesondere die falsche Angabe der Widerrufsfrist.

Die rechtlichen Hintergründe

Grundsätzlich müssen Verbraucherinnen und Verbraucher den Kaufvertrag für Waren, die sie im Online-Versandhandel gekauft haben, binnen zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform widerrufen können. Wenn sie bereits im Besitz der Sache sind, können sie ihr Widerrufsrecht auch durch die Rücksendung der Ware ausüben.   Problematisch bei der Muster-Widerrufsbelehrung des Gesetzgebers ist, dass diese weiterhin nur im Rang einer Verordnung und nicht als Gesetz ausgestaltet ist. Grundsätzlich bleibt bereits deswegen eine hohe Abmahngefahr erhalten. Mehr Tipps, Hintergrundinformationen und Formulierungsvorschläge finden Sie in unseren Schwerpunkten:

Teil I: Neue Widerrufsbelehrung für den Onlinehandel - Das Ende der Abmahnungen für Online-Shops und eBay-Händler?

Teil II: Neue Widerrufsbelehrung für den Onlinehandel - Abmahnungen sind auch in Zukunft zu erwarten

Teil III: Neue Widerrufsbelehrung für den Onlinehandel - Wichtig für bereits abgemahnte Online-Shop-Betreiber und eBay-Händler

Wichtig für die Angabe der richtigen Widerrufsfrist ist, dass die Zwei-Wochen-Frist erst mit Erhalt einer ebenfalls in Textform vorliegenden gültigen Widerrufsbelehrung zu laufen beginnt. Wird dem Verbraucher die Widerrufserklärung erst nach Abschluss des Kaufvertrages mitgeteilt, so gilt anstatt der Zwei-Wochen-Frist eine Monatsfrist. Beim Online-Kauf bei eBay gilt aufgrund der speziellen Gestaltungsmöglichkeiten der Angebotsseite in nahezu allen Fällen die Monatsfrist. Bei Händler-Angeboten über Amazon haben Gerichte allerdings jüngst entschieden, dass aufgrund der im Gegensatz zu Verkäufen bei eBay anders gestalteten Angebotsseiten und den Abläufen bis hin zum Vertragsschluss eine Widerrufsfrist von zwei Wochen gilt.

Entscheidungen der Gerichte

So hatte das Landgericht (LG) Berlin (Az.: 16 O 149/07, Urteil vom 24.05.07) entschieden, dass Angebotsseiten auf dem Amazon-Marketplace keine verbindlichen Vertragsangebote sind. Im Gegensatz zu eBay-Angeboten handelt es sich dabei lediglich um eine Aufforderung zur Abgabe eines Kaufangebots oder einer Bestellung (Juristen nennen dies invitation ad offerendum). Der Verkäufer kann also entscheiden, ob er das Angebot des Käufers annimmt. Geschieht dies durch eine spätere Bestätigungsmail ("Hiermit bestätige ich ihre Bestellung und nehme das Angebot an") so kann nach Ansicht des Gerichts in der gleichen Mail auch eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung beigefügt sein. Das Gericht geht dann von einer Belehrung über das Widerrufsrecht "bei Vertragsschluss" aus. Dies hat zur Folge, dass die Widerrufsfrist für den Verbraucher zwei Wochen beträgt. Die Monatsfrist (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB) findet dann gerade keine Anwendung.

Fazit:

Die Gefahr für Online-Händler beim Internet-Versandhaus Amazon ist nach wie vor hoch. Immer wieder führen Abmahnwellen wegen fehlender oder falscher Angaben zum Widerrufsrecht dazu, dass eine Vielzahl von Händler mit kostenintensiven Abmahnungen zu kämpfen haben. Der Erfüllung der rechtlichen Vorschriften muss deswegen, neben der Präsentation des Produktes, besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Nicht in allen Fällen und per se sind geltend gemachte Abmahngründe aber auch rechtlich haltbar. Unsere Erfahrung in einer Vielzahl von Abmahnungen von Internet-Händlern zeigt, dass in jedem Einzelfall genau darauf geachtet werden muss, dass die Abmahnung oder die beigefügte Unterlassungserklärung nicht rechtsmissbräuchlich ist. Auch treiben immer wieder dubiose Abmahnvereine ihr Unwesen. Haben Sie eine Abmahnung erhalten, sollten sie zügig einen spezialisierten Rechtsanwalt um Rat bitten.

Autor: Philipp Otto